Prof. Dr. Martin Glas

Vorsitzender Deutsches Innovationsbündnis Krebs & Gehirn e.V. und Leiter Neuroonkologisches Zentrum und Abteilung Klinische Neuroonkologie, Klinik für Neurologie, Universitätsmedizin Essen

1. Worauf sind Sie spezialisiert?

Ich bin auf die Behandlung von Patient:innen mit gutartigen und bösartigen Tumoren des Gehirns, des Rückenmarks und ihrer Hüllen spezialisiert sowie auf Patient:innen mit Hirnmetastasen anderer Krebserkrankungen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Patient:innen mit sogenannten paraneoplastischen Syndromen, d. h. mit indirekten Auswirkungen von Tumorerkrankungen am Nervensystem und anderen Organen.

In der Behandlung meiner Patient:innen geht es mir vor allem um personalisierte Therapien, also darum, die richtige Therapie für jede und jeden einzelnen zu finden. Darüber hinaus habe ich mich auch auf die Durchführungen von klinischen Studien zur Prüfung neuer experimenteller Therapien spezialisiert.

2. Was motiviert Sie, bei Gemeinsam gegen Glioblastom mitzuwirken?

Mich motiviert am meisten das „gemeinsam“. Zwar gibt es sehr gute Ärzte- und Patientenverbünde, oft mangelt es aber an der Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten. Gemeinsam gegen Glioblastom setzt genau hier an. Mit den Initiatoren Yeswecan!cer, einer innovativen digitalen Selbsthilfegruppe für Krebspatient:innen, und dem Deutschen Innovationsbündnis Krebs & Gehirn e. V., einem Bündnis aus allen Hirntumorinteressensgruppen, versuchen wir diese Barrieren zwischen Ärzt:innen, Patient:innen, Angehörigen, Wissenschaft, Industrie und Öffentlichkeit zu überwinden. Wir versuchen unsere Stärken zu bündeln, um Bewusstsein für die Erkrankung zu schaffen, aufzuklären, seriös zu beraten und Mut zu machen.

Wir wollen Glioblastompatient:innen eine Stimme geben und diese mit ihren Angehörigen in die Mitte der Gesellschaft rücken. Das sind natürlich keine einfach zu erreichenden Ziele, aber diese Punkte motivieren mich besonders, an diesem Projekt mitzuarbeiten.

3. Welche Frage stellen Ihnen Glioblastom-Patient:innen am häufigsten?

„Ist diese Erkrankung heilbar?“ und „Wie lange werde ich noch leben?“

4. Was bereitet Ihnen am meisten Freude an der Arbeit mit Patient:innen?

Wir können Glioblastome heute leider immer noch nicht heilen, haben in den letzten Jahren aber beachtliche Erfolge erzielen können. Meinen Patient:innen trotz dieser Diagnose einen Weg aufzeigen zu können und Mut zu machen, sie auch neben der reinen Anwendung von schulmedizinischen Maßnahmen zu begleiten und „anfassbar“ zu sein, ist mein Hauptverständnis dieses Berufs. Auch wenn wir diese Erkrankung noch nicht besiegen können, können wir unseren Patient:innen unglaublich viel helfen. Das zu erfahren macht Freude natürlich auch gerade dann, wenn es doch gelingt, unsere Patient:innen möglichst wirksam zu behandeln.

5. Was raten Sie Patient:innen, die gerade erst die Diagnose Glioblastom erhalten haben?

Da gibt es ganz viele Dinge, die am Anfang wichtig sind. Unsere Patient:innen brauchen eine seriöse und professionelle Beratung, idealerweise von einem interdisziplinären, auf Hirntumore spezialisierten Team.

Erste Anlaufstelle sind hier die von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten neuroonkologischen Zentren. Teil dieses Teams sollte aber heimatnah zumindest auch der Hausarzt sein. Ich rate meinen Patient:innen immer: „Suchen Sie sich einen guten Arzt!“ Ein Arzt, der sich Zeit nimmt, erreichbar ist und bei dem man sich als Patient:in wohlfühlt. Dazu gehört, dass gemeinsam versucht wird, einen Weg auszuwählen, der am besten zu einem selbst passt und der offen besprochen wird. Zu diesem Weg gehört auch, dass eine psychoonkologische Unterstützung nicht vergessen wird.

Ich empfehle darüber hinaus, so schwierig das am Anfang sein mag, auch Vorbereitungen zu treffen, für den Fall, dass die Erkrankung einen schlechten Verlauf nimmt. Sollte diese Situation nicht eintreten, dann freut man sich natürlich umso mehr, falls aber doch, dann ist es eine unglaubliche Entlastung für die Patient:innen und ihre Familien.

Ich rate meinen Patient:innen aber immer, möglichst schnell wieder nach vorne zu schauen und zu versuchen, so gut es geht aktiv im „normalen Leben“ zu bleiben. Der Blick zurück und der Vergleich mit der Lebenssituation vor der Diagnose ist oft wenig hilfreich. Ebenso ist ein sozialer Rückzug sicherlich nicht der richtige Weg, zumal wir gar nicht so selten von unseren Patient:innen und dem jeweiligen Krankheitsverlauf positiv überrascht werden. Daran zu glauben, ist auch ein Teil der Therapie.