Glioblastom & ich
Hier kommt ihr zu Wort: Patient:innen und Angehörige, die selber erfahren haben, wie es ist, von heute auf morgen mit Glioblastom leben zu müssen. Betroffen – aber nicht allein.
Seit der Gründung von Gemeinsam gegen Glioblastom sind wir vielen wunderbaren Menschen begegnet. Sie und ihre Geschichten haben uns alle berührt, anderen Betroffenen aus der Seele gesprochen und sie inspiriert, trotz der Erkrankung Lebensmut und Freude wiederzufinden.
Leider müssen wir uns auch mit viel zu frühen Abschieden beschäftigen. Doch die Erfahrungsberichte, die wir hier veröffentlichen, sind für uns zeitlos. Von Zeit zu Zeit behalten wir uns vor, sie dennoch zu aktualisieren und auszutauschen.
Volker, Glioblastom-Patient
„Hab dann perspektivisch nicht mehr so schwarz gesehen.“
Stephie, Angehörige
„Ein ganz wichtiger Punkt bei dieser Erkrankung ist Akzeptanz und die Annahme dessen, was ist.“
Jasmin & Fabian, Angehörige
„Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass man möglichst offen zueinander ist und Verständnis zeigt.“
Alexander, Glioblastom-Patient
„Man kann mit Glioblastom auch Langzeit-Überlebender werden.“
Sophie, Glioblastom-Patientin
„Verfolgt eure Ziele weiterhin, versucht positiv zu bleiben, genießt euer Leben.“
Mit 21 Jahren erhielt Sophie die Diagnose Glioblastom. Hier erzählt sie uns von ihrer Rückkehr in den Arbeitsalltag, den Umgang mit der Angst vor einem Rezidiv und was ihr hilft, mit der Erkrankung umzugehen.
Was waren für dich die ersten Anzeichen, dass etwas nicht stimmt?
Ich saß auf dem Sofa, habe eine Sendung im TV geguckt und plötzlich hat meine rechte Körperhälfte sehr stark gekribbelt – meine Bewegungen haben sich nicht mehr kontrollieren lassen. Ich hatte das Gefühl, Nasenbluten zu bekommen – da war aber nichts. In dem Moment wollte ich meinem Partner sagen, dass mit mir etwas nicht stimmt. Dies hat allerdings nicht funktioniert, da ich nicht mehr in der Lage war, mich auszudrücken. Der Zustand hat nur kurz angehalten, ca. zwei Minuten, und danach war alles wie vorher. Anschließend sind wir ins Krankenhaus gefahren, um das abklären zu lassen. Dort konnte direkt gesagt werden, dass dies ein fokaler Anfall war und dass die Ursache gesucht werden muss.
Wie sieht ein normaler Tag momentan für dich aus?
Ich bin nach etwa drei Monaten Krankheit (von Diagnose bis Ende der Bestrahlung) wieder in meinen Arbeitsalltag zurückgekehrt. Das hat mir sehr gutgetan. Natürlich ist man nicht mehr so leistungsfähig wie vor der Behandlung, aber ich kann in Vollzeit arbeiten und normal leben.
Man muss seine Grenzen beachten und sich dann Pausen nehmen. Ich gehe werktags also zur Arbeit und mache dann gerne noch jeden bis jeden zweiten Tag ca. eine halbe Stunde Online-Yoga oder Gymnastikübungen, um einen Ausgleich zum Bürojob zu schaffen. Ich koche auch gerne. Zwei Mal in der Woche besuche ich einen Abendkurs für eine berufliche Weiterbildung. Am Wochenende unternehme ich gerne was mit meinem Ehemann, der immer an meiner Seite ist. Natürlich entspanne ich am Wochenende auch sehr viel und meditiere zum Beispiel.
Wie gehst du mit Ängsten um?
Die Ängste vor einem Rezidiv belasten mich im Alltag die meiste Zeit nicht so sehr, da immer viel los ist. Wenn es aber auf die Nachkontrollen zugeht (diese finden bei mir alle drei Monate statt), fangen bei mir Bedenken vor dem nächsten MRT-Bild an. Bisher ist zum Glück kein Rezidiv zu sehen gewesen. Aber besonders die letzte Woche vor dem Termin bin ich emotional aufgewühlter als sonst und kann schlechter schlafen. Am besten hilft es mir da mit meinem Mann und meiner Familie darüber zu reden, denn das Umfeld „leidet“ mit.
Ich war auch schon mal zu einem Gespräch bei einem Psychoonkologen, der mir wertvolle Tipps für den Umgang in der Familie gegeben hat. Von ihm habe ich auch, dass Angst oder Befürchtungen im gewissen Maße normal sind, da die Erkrankung eine reale Bedrohung darstellt. Man sollte offen damit umgehen und sich Vertrauten gegenüber öffnen, das hilft mir gegen die Angst. Gerne schreibe ich auch mal meine Gedanken bei einer Meditation nieder, um mit diesem Gefühl umzugehen
Welchen Umgang mit dir und deiner Krankheit wünscht du dir von Freunden und deiner Familie?
Ich möchte „normal“ behandelt werden. Für mich wäre es nicht gut, mich im Alltag krank zu fühlen, weil die Umgebung mich anders behandelt. Ich fühle mich gesund (medizinisch gesehen ist man leider krank, aber deswegen muss ich mich ja nicht so fühlen) und möchte mir auch von außen nicht das Gefühl geben lassen, nicht wie andere junge Menschen zu sein. Gerade weil man die Krankheit nicht äußerlich sehen kann, gibt mir dies das Gefühl, Abstand von der Diagnose nehmen zu können. Auf meiner neuen Arbeitsstelle weiß auch niemand über die Krankheit Bescheid, das möchte ich persönlich auch erstmal so lassen.
Gibt es etwas, das du anderen Patientinnen und Patienten gerne sagen möchtest?
Lasst euch nicht unterkriegen. Nach der OP hat mir eine Ärztin gesagt, dass die Krankheit nicht heilbar ist. Das war ein riesengroßer Schock für meine Familie und mich und hat uns alle sehr runtergezogen. Aus jetziger Sicht fand ich es schade, dass man direkt am Anfang so einen Dämpfer versetzt bekommen hat und damit erst mal die Hoffnung verliert (und das schon vor der eigentlichen Therapie). Ich wäre noch motivierter und kämpferischer in die Therapie gestartet, hätte man sich anders ausgedrückt.
Sucht nicht bei Google gezielt nach negativen Beispielen oder Überlebensraten und Folgen der Krankheit. Wenn man sucht, findet man auch Leute, die mit der Diagnose seit vielen Jahren leben. Konzentriert euch auf die Möglichkeiten, die ihr selbst habt, etwas gegen den Tumor zu machen. Auch wenn ihr der Krankheit den Kampf nur mental und mit Lebensfreude begegnen könnt. Traut euch auch, Termine in weiterer Zukunft zu machen (z. B. Urlaub buchen) und verfolgt eure Ziele weiterhin (z. B. Lebensziele/ Aus-/Fortbildung). Versucht positiv zu bleiben, genießt euer Leben und seid dankbar für jedes Lächeln, jeden Sonnenstrahl und alles, was euch glücklich macht!
Elisabeth, Angehörige
„Ich werde jedem erzählen, wie es war und die Erfahrungen weitergeben. Das ist, was mir oder uns geholfen hat.“
Als ihre Tochter Rebecca mit der Diagnose Ponsgliom Grad IV (Hirnstammtumor) nach Hause kam, brach für Elisabeth die Welt zusammen. Sie spricht mit uns über ihre Erfahrungen und wie es für sie war, zur pflegenden Angehörigen zu werden.
Wie hast du dich gefühlt, als du von Rebeccas Diagnose erfahren hast?
Als Rebecca mit der Diagnose nach Hause kam – Ponsgliom Grad IV – ist für mich und meine Familie die Welt zusammengebrochen. Ich konnte es nicht glauben. Rebecca wollte doch studieren und sie hatte so viele Pläne. Die Diagnose hat uns als Familie insofern beeinflusst, als dass wir uns denken: Wir schieben nichts mehr. Also wenn wir irgendetwas unternehmen wollen, sagen wir nicht, dass wir das irgendwann machen, wenn Zeit ist, sondern wir machen das jetzt. Rebecca ist 23 Jahre alt geworden. Vor 21 Monaten ist sie gestorben. Sie hat auch noch zwei jüngere Geschwister und für mich als Mama ist es jetzt so, dass wenn die beiden irgendetwas angestellt haben, dann denke ich mir: „Ja was solls“. Ich bin froh, dass sie gesund sind und ich sehe über vieles hinweg. Es ist nicht mehr so wichtig, die Wertigkeit hat sich verlagert. Wir leben bewusster und ich versuche die Kinder zu genießen.
Wie bist du zur pflegenden Angehörigen geworden?
Die Pflege war für uns keine bewusste Entscheidung. Also ich kann sagen, ich bin in die Pflege hineingefallen. Ich habe mir einfach Stück für Stück die notwendigen Hilfsmittel besorgt. Mein Mann und ich haben uns beurlauben lassen und in Österreich gibt es das mobile Palliativteam. Das war für uns zwar nur telefonisch erreichbar, aber ich bekam für die Pflege wertvolle Tipps, was uns wirklich sehr weitergeholfen hat. Aber zum Schluss hin war es mir einfach sehr wichtig, dass ein Arzt an meiner Seite ist. Ich habe mir einen praktischen Wahlarzt organisiert, der zweimal gekommen ist und für mich telefonisch rund um die Uhr erreichbar war. Das hat mir einfach Sicherheit gegeben. Das wollte ich so.
Gibt es etwas, das du anderen Angehörigen oder Pflegenden gerne sagen möchtest?
Ich habe Rebecca versprochen, all mein Wissen, welches ich mir in dieser Zeit angeeignet habe, in die Welt hinauszutragen. Ich werde jedem erzählen, wie es war und die Erfahrungen weitergeben. Das ist, was mir oder uns geholfen hat. In der Zeit, in der es ihr noch gut gegangen ist, hat sie einen Leitfaden zum Umgang mit schwerkranken Personen und deren Angehörigen geschrieben. Den würde ich jetzt gern vorlesen:
Frage niemals nach der Krankheit und dem Gesundheitszustand
Behandle die Betroffene nicht wie eine Außerirdische
Halte dir immer vor Augen, dass sie ein normaler Mensch ist, mit einem normalen Leben und dass sich – Gott sei Dank – nicht alles um die Krankheit dreht
Sei nicht verwundert, wenn sie ganz normale Sachen unternimmt und lacht
Sage ihr nicht, welches Wundermittel sie schlucken soll: Sie ist in ärztlicher Behandlung und entscheidet selbst, was ihr hilft
Fordere die Betroffene niemals auf, über das Thema zu sprechen – du erinnerst sie an die Krankheit und retraumatisierst sie damit
Ganz wichtig: Freue dich mit ihr, wenn es Ihr gut geht und feiert gemeinsam
Ina, Glioblastom-Patientin
„Wie kann sowas in meinem Kopf sein?“
Nach der Operation erlebt Ina nach schweren Phasen gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern auch wieder einen schönen Alltag. Denn das ist ihr wichtig: am „normalen“ Leben mit Glioblastom teilnehmen, die Krankheit auch mal vergessen. Fahrrad fahren, arbeiten gehen, sich mit Freunden und Familie treffen – all das bringt Mut, um das Leben mit ihrer Familie weiter auszukosten und zu genießen.
Wie war rückblickend deine erste Reaktion auf die Diagnose?
Ich konnte erst gar nicht glauben, was mir da gesagt wurde. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie so etwas in meinem Kopf sein kann.
Was gibt dir Kraft?
Momentan führe ich ein relativ normales Leben. Ich kann Fahrrad fahren, ich kann draußen im Garten arbeiten und ich gehe wieder ein bisschen arbeiten – das bringt mir sehr viel Mut. Das macht mir Mut, weil ich wieder merke, dass ich etwas kann.
Hast du einen Tipp für andere Betroffene?
Mein Tipp ist, einen Alltag zu haben und nicht nur immer die Krankheit im Kopf zu haben. Ganz viel am Alltag ist auch, dass es einen ablenkt und dass es einem auch wieder Mut gibt. Also sollte man wieder mit anderen Menschen in Kontakt treten und nicht die ganze Zeit zu Hause auf dem Sofa sitzen und weinen, weil man jetzt todkrank ist.