
Leben im Jetzt, statt Angst vor dem Ende
Rolf begleitet seine Partnerin seit der Diagnose Glioblastom. Statt sich von der Angst lähmen zu lassen, tanzen sie Tango, unternehmen Fahrradtouren – und konzentrieren sich auf das Leben im Moment.
Wie geht man als Paar damit um, wenn plötzlich alles anders ist? Wenn statt Aufbruch in den Ruhestand eine schwere Diagnose den Alltag bestimmt? Rolf und seine Partnerin mussten genau das erfahren. Hier erzählt der 68-jährige Darmstädter, wie sie ihre gemeinsame Zeit neu denken, was ihnen Halt gibt – und warum sie bewusst wieder langfristig planen.
Wann wurde deine Partnerin diagnostiziert und wie ging es weiter?
Im März 2023 hatte sie einen epileptischen Anfall. Mitte April kam nach einer OP die Diagnose Glioblastom. Ab Mai folgten Bestrahlung und Chemotherapie, seit August 2023 nutzt sie zusätzlich Tumor-Therapie-Felder.

Wie gehst du mit deiner Angst um? Was hilft dir im Alltag?
Mir ist klar, dass unsere gemeinsame Zeit begrenzt ist – aber ich schiebe diesen Gedanken bewusst in den Hintergrund. Wir konzentrieren uns auf das Jetzt, machen Fahrradtouren und tanzen Tango. Früher haben wir unser Leben stark nach den dreimonatlichen Kontrollterminen ausgerichtet, jetzt planen wir wieder langfristiger – auch Reisen, oft ein Jahr im Voraus. Es ist uns bewusst, dass wir damit irgendwann eine Reise nicht antreten werden können, weil wieder ein Eingriff notwendig wird. Bis dahin haben wir aber voll gelebt.
„Es kann länger gutgehen, als man anfangs denkt.“
Rolf, Ehemann einer Glioblastom-Patientin
Habt Ihr einen Ort, der Euch Kraft schenkt?
Ja. Während der Chemotherapie waren wir sehr vorsichtig wegen der Infektionsgefahr und konnten kaum unter Leute gehen. In dieser Zeit haben wir den Schwanenpavillion auf der Darmstädter Mathildenhöhe für uns entdeckt. Dort haben wir für uns Tango getanzt – mit Musik aus dem Bluetooth-Lautsprecher. Das Tanzen und die zufälligen Begegnungen und Gespräche mit vorbeilaufenden Menschen haben uns viel Kraft gegeben und Freude bereitet. Auch heute gehen wir noch gelegentlich dorthin.
Gab es etwas, das dir nach der Diagnose Mut gemacht hat?
Der Austausch mit anderen, die ebenfalls Tumor-Therapie-Felder nutzen – und das seit mehreren Jahren. Das zeigt, dass es länger gut gehen kann, als man anfangs denkt.

Wie haben eure Kinder reagiert?
Beide waren bei der Diagnose Mitte bis Ende zwanzig. Der Kontakt ist enger geworden. Unsere Tochter wohnt in der Stadt und schaut oft spontan vorbei. Unser Sohn lebt weiter weg, besucht uns aber regelmäßig am Wochenende.
Bereitet ihr euch auf einen möglichen Abschied vor?
Nein. Am Anfang hatte ich den Gedanken, vorbereitet sein zu müssen. Aber inzwischen möchten wir die Zeit einfach genießen. Der Abschied wird kommen, wenn er kommt. Aber bis dahin können wir noch viel unternehmen und daraus Kraft schöpfen.
„Der Abschied wird kommen, wenn er kommt.“
Rolf, Ehemann einer Glioblastom-Patientin
Was möchtest du anderen Angehörigen mitgeben?
Schaut nicht auf das, was nicht mehr geht, sondern auf das, was ihr noch gemeinsam machen könnt. Passt eure Pläne an die neuen Bedingungen an, seid kreativ beim Finden von Lösungen, seid weder zögerlich noch ängstlich. Löst euch von der Fixierung auf die nächste Kontrolluntersuchung und macht Pläne darüber hinaus. Genießt die Zeit, die ihr noch habt und gestaltet das Leben aktiv. Schaut nicht ängstlich auf das Ende, sondern freudig auf das Jetzt.
Angehörige: Hilfe für die Helfenden
Als Angehörige steht auch ihr mit der Hirntumor-Diagnose von einem Moment zum nächsten einer ganz neuen und vor allem herausfordernden Realität gegenüber. Auf unserer Seite „Tipps für Angehörige von Glioblastom-Patient*innen” findet ihr Tipps, wie ihr zwischen praktischer und emotionaler Unterstützung für eure Liebsten eure eigene Gesundheit und euer Wohlergehen nicht aus den Augen verliert.