Die Antworten basieren auf Aussagen, die Tim Mälzer auf der YES!CON 2020 und 2021 gegeben hat.
1. Welchen Stellenwert schreiben Sie der Ernährung für den Genesungsprozess von Patient*innen zu?
Zur Genesung trägt nicht nur die medizinische Betreuung bei, sondern auch die emotionale und psychologische Begleitung des Prozesses. Hierbei ist meiner Meinung nach die Kulinarik besonders wichtig. Wir wissen alle, was Ernährung im Genesungsprozess für schöne Momente schaffen kann. Sowas ist essentiell für das Wohlergehen der Patient*innen und kann in schwierigen Lebensphasen helfen.
2. Ernährung ist ohne Frage ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Krankenhausaufenthalte stellen entscheidende Lebensabschnitte dar. Was halten sie von der Einstellung zur Verpflegung in Krankenhäusern?
Ich finde, dass dem Thema Ernährung zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Der Fokus liegt darauf, Kosten wegzurationalisieren. Nur 4% aller Kliniken folgen den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Ich verstehe, dass alles eine gewisse Kalkulation hat. Jedoch macht schlechtes Essen ebenfalls krank. Durch eine Anhebung des Standards der Grundverpflegung könnte man wahnsinnig viel ausrichten.
3. Was könnte man Ihrer Meinung nach bei der Verpflegung in Krankenhäusern ändern?
Man sollte den Mut dazu haben, von rein wirtschaftlichen Abwägungen abzuweichen. Frische, gesunde und kreative Mahlzeiten können auch einen emotionalen Wert haben. Mit moderner Küchentechnik ist es heute durchaus möglich, gute Verpflegung anzubieten. Es muss vor allem aber die Bereitschaft zu Veränderungen bestehen: Mahlzeiten individualisieren, die produzierte Mahlzeitenanzahl reduzieren und den Kantinenbetrieb dezentralisieren, eventuell sogar die Kantinen zurück in die Kliniken holen. Ab einer bestimmten Skalierung wird es schwierig, gute Ernährung bei einem festen Budget in Großküchen zu gewährleisten.
4. Ein guter Freund von Ihnen ist letztes Jahr an Krebs verstorben. Wie hat das Ihre Sicht auf das Thema Krebs verändert?
Ich habe meinen Freund in seinen letzten Monaten bei seiner Krebstherapie begleitet. Er war ein Genussmensch, dem Ernährung sehr wichtig war. Durch das schlechte Essen in der Klinik wurde er zunehmend depressiv. Wann immer ich ihm jedoch anderes Essen in die Klinik brachte, leuchteten seine Augen. Hierbei ist mir klar geworden, wie wichtig es ist, Krebspatient*innen während einer solch schwierigen Phase Momente der Freude zu verschaffen und ihnen ihre Würde zu erhalten.
5. Was würden Sie Patient*innen raten?
Falls Patient*innen unzufrieden mit dem Essen in Kliniken sind, sollten sie in Betracht ziehen, bei Möglichkeit und Verfügbarkeit, auch wenige Euro zur Verpflegung dazu zu geben. So könnten sie eine deutlich bessere kulinarische Versorgung erhalten und mehr Freude am Essen erleben.