Dr. Dorothee Wiewrodt

Leiterin des Schwerpunktes Psychoonkologie an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Münster

1. Worauf sind Sie spezialisiert?
Seit 2004 bin ich Fachärztin für Neurochirurgie. Bereits während meiner Ausbildung an der Universitätsklinik Mainz und noch vor der Temozolomid-Ära habe ich mich für die Neuroonkologie interessiert, also zu einem Zeitpunkt, als wir Mediziner*innen Glioblastom-Patient*innen außer der Bestrahlung nichts anbieten konnten und der Aufbau neuroonkologischer Sprechstunden erst begann. Mit aufkommenden Studien, neuen Medikamenten und der zugelassenen Chemotherapie erlebten wir einen zunehmenden Bedarf der Sprechstunde, aber merkten auch, dass die psychische Betreuung oft zu kurz kam und kaum Hilfsangebote für Betroffene existierten. Für mich war das ausschlaggebend, mich selbst zunächst psychoonkologisch und später auch psychotherapeutisch weiterzubilden. Seit fast zehn Jahren bin ich nun in der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Münster als Psychoonkologin unseres Hirntumorzentrums tätig.

2. Was motiviert Sie, bei Gemeinsam gegen Glioblastom mitzuwirken?
Diese Erkrankung bedeutet eine enorme Belastung für die Betroffenen und ihre Familien. Hinzu kommt, dass es eine vergleichsweise seltene Erkrankung ist und es dadurch nur begrenzt spezifische Angebote gibt. Während meiner Tätigkeit habe ich aber erlebt, wie wichtig die Kontakte zu ebenfalls Betroffenen sind – einerseits zum Austausch, andererseits, um voneinander zu lernen: Das gemeinsame Schicksal, die gleichen Therapien durchgemacht zu haben, verbindet ungemein. Das unterstütze ich gerne mit meiner Erfahrung als Expertin.

3. Welche Frage stellen Ihnen Glioblastom-Patient*innen am häufigsten?
So individuell wie die Patient*innen sind, so individuell sind auch die Fragen. Erstaunlicherweise hat eine Auswertung meiner eigenen Erstgespräche gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Patient*innen dabei die Themen Tod und Sterben angesprochen hat. Offensichtlich ist das eine Frage, die viele beschäftigt. Ich habe daraus die Konsequenz gezogen, dass ich aktiv danach frage, ob Patient*innen sich dazu, wie man an einem Hirntumor stirbt, Informationen wünschen.

4. Was bereitet Ihnen am meisten Freude an der Arbeit mit Patient*innen?
Wenn ich Betroffenen und ihren Familie in dieser für sie so unsicheren Zeit Information, Sicherheit, Hoffnung und Lebensmut geben kann! Das ist nicht nur ein schöner Nebeneffekt, sondern vermeidet Depressionen. Und das ist wichtig, denn Depressionen verschlechtern die Lebensqualität und Prognose der Betroffenen.

5. Was raten Sie Patient*innen, die gerade erst die Diagnose Glioblastom erhalten haben?
Fordern Sie Informationen zur OP, dem Pathologiebefund und den MRT-Bildern ein! Das ist wichtig, um die für Sie unbekannte Erkrankung besser verstehen und begreifen zu können. Zu Beginn ist es völlig normal, dass Gefühlschaos besteht und Sie zwischen Hoffnung und tiefer Verzweiflung hin- und hergerissen sind. Auch Trauerarbeit über die Dinge, die sich in Ihrem Leben vielleicht nicht mehr realisieren lassen, gehört zur Verarbeitung der Erkrankung dazu. Aber wichtig ist, in kleinen Schritten von Tag zu Tag zu denken. Wenn Sie die empfohlenen Therapien durchlaufen, dürfen Sie sich auch ablenken! Erinnern Sie sich, was Ihnen in anderen Krisensituationen geholfen hat: Auf welche Freundschaft können Sie sich verlassen, wer kann Sie zum Lachen bringen, mit wem können Sie ernste Themen gut besprechen? Gehen Sie raus in die Natur, treiben Sie, sofern möglich, Sport oder werden Sie kreativ. All diese Dinge können Ihnen dabei helfen, in einen Alltag mit der Erkrankung zu finden. Scheuen Sie sich außerdem nicht, frühzeitig Unterstützung bei einem oder einer Psychoonkologen/Psychoonkologin vor Ort

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